Brigitte Herrneder
Kalligrafin aus Kümmersbruck
Im Jahr 2020 kam die Stadt Weiden auf mich zu, weil man erfahren hatte, dass ich bei Oberpfalz Medien Kalligrafiekurse gab. Es wurde jemand gesucht, der die Einträge ins Goldene Buch vom bisherigen Schreiber übernehmen könnte.
Ich freute mich über die Idee und sah mir das Goldene Buch mal an. Die Stadt Weiden hat eine sehr hochwertige Variante: Ledereinband mit Prägung, Goldschnitt, die Seiten aus gutem Vorsatzpapier. Auf den ersten Seiten kolorierte Zeichnungen mit Weidener Motiven, danach die Einträge zu Empfängen und sonstigen Anlässen. Das Buch alleine hat das Maß 35 x 45 cm und wiegt 6 kg! Es ist in einem Schuber mit der gleichen Prägung verstaut, der wiederum ist in einem gepolsterten Koffer, das Ganze wiegt fast 13 kg.
Eine ehrenvolle Aufgabe also und ich sagte zu. Das Buch wird mir jeweils gebracht und auch wieder abgeholt, ich bekomme genaue Angaben zum Eintrag und habe jeweils genug Zeit, alles zu konzipieren und umzusetzen. Dafür reserviere ich mir zuhause entsprechend die Stunden, in denen ich ungestört über der Arbeit bleiben kann. Und natürlich: ich schreibe alles vor, berechne den Platzbedarf, ermittle die nötige Federgröße im Verhältnis zum Text, übe nochmal die kniffligen Striche in den Buchstaben, liniere vorsichtig die Zeilen - und lege los. Wichtig: man sollte sich dringend die jeweils zum Eintrag verwendeten Federn in Art und Größe notieren, denn es raubt Zeit, alles neu austesten zu müssen. Über verschiedene neue Versuche, die Proportionen am besten „schön“ aufs Papier zu bringen, kommt man dann trotzdem nicht herum. Diesmal hatte ich echt Bedenken, ob meine Speedball C4 bis zum Ende des Textes noch durchhalten würde, sie war mein letztes Exemplar und hakte schon ein bisschen. Aber es funktionierte zum Glück.
Falls ein oder zwei Wappen erforderlich sind, runzele ich jedes Mal die Stirn (für Weiden: gelber zotteliger Löwe auf schwarzem Hintergrund) und frage mich, wie ich es schaffe, das detailgetreu aufs Papier zu bringen. Aber man muss einfach anfangen. Da kommt man schon manchmal ins Schwitzen, wenn der Abgabetermin näher rückt. Vorsicht ist dann angesagt, wenn die Zeilen wieder radiert werden müssen. Ich lasse es erstmal ein paar Stunden trocknen, danach kommt Fixativ drüber - damit nichts verwischt, falls jemand mal beim Eintrag niesen muss ...
Ruhe, Konzentration und genug Platz am Arbeitsplatz sind die wichtigsten Zutaten. Das Schreiben macht mich sehr zufrieden: hier ist es wenig Text, der fürsorglich im Tresor aufbewahrt wird. Im krassen Gegensatz dazu stehen die massenhaften Texte, denen wir im Alltag ausgesetzt sind.